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20.03.2013

Humms Noir I.


Brille Humms schluckte. Das Licht war erloschen und und mutterseelenallein stand der Schlagersänger in der alten Druckerei. War es eine gute Idee gewesen, sich hier zu verstecken?

Behäbig tastete er sich vorwärts. Dort, neben all den Druckplatten seines Erstlingswerkes "Rot wie Zunge - Mein Leben als Bockwurst" mussten sie noch irgendwo sein; Rollschuhe und sein kleines Männchen aus Wachs, dass ihm bislang immer aus der Tinte geholfen hatte.

Ob es eine gute Idee gewesen war, dem örtlichen Schützenverein auf der Jahreshauptversammlung einfach die Speisekarten zu klauen? Das war jetzt nicht mehr wichtig - keine Zeit mehr, um über solche Mätzchen nachzudenken.

Dabei hatte der Abend hatte eigentlich ganz gut angefangen. Zusammen mit Bommes McFräsig war er spätnachmitags zu "Kohlmeise" aufgebrochen.

In den letzten Monaten hatte sich das Geschäft prächtig entwickelt und die Investition seines Altenteils in diese gutbürgerliche Bierstube schien sich auszuzahlen. Es war eben doch eine gute Idee gewesen, in der Provinz zu investieren hatte er noch gedacht, während Fräsig den Wagen durch das sonntägliche Bad Oeynhausen steuerte:  Erst durch die Deesberger Allee in Babbenhausen, dann durch den Schmiedebrink und vorbei am Wasserkrater "Aqua Magica".

In  Birken und Eschen lag die Stadt bald so weit hinter ihnen, dass der Rathausturm nur noch die Größe eines Blauwals im Senfglas hatte.

Humms hasste diese Landschaft - Alliterationen ebenso. Diese impertinente Grün! Sträucher, Tannen, leere Kannen, dazu ein paar schlecht bestellte Felder und die Bahnstrecke Oberstdorf-Hannover.

Die Kirchenglocken schlugen zum Abendgebet und Humms fühlte sich butterwohl, als er den ersten Zug aus seinem Flachmann nahm, eine schlechte Angewohnheit, die er nach Jahrzehnten im Schlagerbetrieb einfach beibehalten hatte. Was hatte man sich damals im NDR Landesstudio die Kante gegeben!

Auch McFräsig nahm einen tiefen Schluck, schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf und stieß ein wirres Gemurmel aus. Der Wagen machte einen bedenklichen Satz und schlingerte. Humms blickte ärgerlich zu seinem Fahrer herüber.

Trotz seines schottischen Namens war McFräsig eine welpenhafte Erscheinung und Humms befand, dass Fräsig einem Slowenen glich, der im Ausland ein Bier bestellt. Seine gesamte Erscheinung war eine Mischung aus ulkiger Routine und liebenswerter Dankbarkeit.

Um ganz ehrlich zu sein, hätte Humms seine Kumpanen am liebsten an die Wand genagelt als er ihn auf der ersten Eigentümerversamlung der Kohlmeise zu Gesicht bekam:

 "Über der Tür gleich neben dem Hirsch!" Voller Freude hatte sich Humms mit dem Hammer auf McFräsig gestürzt - leider konnte er ihn nicht hängen lassen.

Sei's drum. Bommes war ein feiner Kerl.

In einem Anflug von Argwohn betrachtete Humms die "Kohlmeise", die am Ende eines Feldwegs vor ihnen auftauchte.

....


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