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04.12.2012

A room with a view..

Über die Beschaffenheit unserer Wohnung hier in Almaty scheint in meiner Familie eine infame, unausgesprochene, sogar recht biestige Überzeugung vorzuherrschen.
Man will nicht schätzen, was doch durch seine Eigenfälligkeit zu überzeugen weiß.

Ein zart rosa getünchtes Wohnzimmer, eine blaue Küche und ein Möbelarsenal, das jedem dahergelaufenen - im Landhausstil dekorierten - Schaufenster wahlweise in der Schwerter, Osnabrücker oder Bad Oeynhausener (ganz genau) - Innenstadt den Garaus macht. 

So nicht meine Freunde!



Das Palais, im Stil einer sowjetischen Chruschtschowka erbaut, befindet sich im üppig grünen, wuchernden Zentrum der altehrwürdigen Stadt Almaty, deren Altbausubstanz bei einem Erdbeben 1887 beinahe völlig zerstört wurde.


Der Eingangsbereich des Hauses besticht durch seine charmante Patina, die jedes Briefgeheimnis ad absurdum führt. Über einen lichtdurchfluteten Aufgang erreicht man die kompakte Wohneinheit, die mit allen, in kasachischen Baumärkten erhältlichen Schikanen, ausgestattet und nach allen Regeln eines elaborierten zentralasiatischen Geschmacksverständnisses eingerichtet ist.


Der großzügig gehaltene Eingangsbereich findet seinen Abschluss in einem diffizilen Glasregal-Arrangement, das durch seine konstruktionsspezifische Transparenz den Blick freigibt auf ein geräumiges, in zarten Rosatönen gehaltenes Wohnzimmer.



Nicht minder spektakulär gestaltet und entgegen jede Gesetzmäßigkeit rechter Winkel aufgehangen, stellt die funktionale, mit Eichenholz furnierte Küche das Zentrum täglichen Lebens dar. Träume ambitionierter Hobbyköche werden hier ebenso erfüllt wie das Verlangen nach komfortabler Bestuhlung. U-förmige Hocker tragen in Reminiszenz an die jahrhundertealte Wohntradition des zentralasiatischen Steppenvolkes einen Hauch von Abenteuer auf den Frühstückstisch. Dieser präsentiert sich schlicht und elegant. Kostenpunkt auf dem grünen Basar um die Ecke: 60 Euro. Qualität hat einen Namen.

Ein solider Gasherd garantiert anhaltendes Kochvergnügen in Zeiten des gelegentlichen Stromausfalls. Überhaupt lässt es die technische Austattung der Cucina den Bewohnern an nichts fehlen. Dafür bürgen Geräte der Firmen "inDESIT" und "Hyundai" ebenso, wie ein Mehrfachstern-Kühlsystem des Herstellers "cool n´cool"(nicht im Bild).

Die duale Organisation der Spülbecken aus kalkbindendem Aluminium täuscht nicht darüber hinweg, dass hier ein Ort ist, an dem auch abgefeimteste Fettschmierereien durchgezogen werden können: Zwei Becken waschen mehr als eins.


Als begehbarer Kleiderschrank präsentiert sich das Schlafzimmer, dessen ursprünglicher Zweck durch ein defektes Bett keineswegs in Frage steht. Stauraum heißt stattdessen das Stichwort und die wohltuende Erkenntnis, dass man mehr Zimmer hat als man braucht, stimmt ein in den Lobgesang dieses verdammt smarten Wohnkonzepts: Nichts anderes als ein optischer Leckerbissen ist dabei auch die gelbe Farbpalette des Raumes, die dabei die Leuchtkraft von Freund Helios überragt. Ein in Relation zur Raumgröße völlig unangemessen großer Heizkörper verursacht Schnappatmung und forciert  schließlich die Raumnutzung als Trockenboden und Arbeitszimmer.




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